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Digitalisiserung, das sind wir alle

Susanne-Theisen-Canibol, 7. August 2018

Die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, sieht die Zeit für Flugtaxis gekommen: Aber in den Regionen bleibt die Digitalisierung stecken, weil … Ja, warum? Warum nur tun wir uns in Deutschland mit der digitalen Welt so schwer? Unwissenheit über digitale Prozesse und Zusammenhänge spielen eine Rolle, aber insbesondere auch das Pendeln zwischen unreflektierter Nutzung und totaler Ablehnung: Wir tun uns schwermit der maßvollen, reflektierten, souveränen Nutzung. Ein Plädoyer für einen Umgang jenseits der Extreme.
Die Staatsministerin für Digitalisierung, Dorothee Bär, sieht die Zeit für Flugtaxis gekommen. Aber in den Regionen bleibt die Digitalisierung stecken, weil … Ja, warum? Warum nur tun wir uns in Deutschland mit der digitalen Welt so schwer? Die immer noch mangelhafte Versorgung mit Breitbandanschlüssen ist die eine Seite. Die andere Seite ist der fehlende Wille, die Digitalisierung als unabdingbaren Fortschrittsfaktor anzuerkennen. Statistisch besitzen Dreiviertel aller Bundesbürger ein Smartphone. Ganz selbstverständlich nutzen wir das bunte Angebot der Apps zu Information, Unterhaltung, Netzwerken, Fitness und vielem mehr. Und dennoch sehen viele nicht die Verbindung zwischen eigenem Handeln und Digitalisierung jenseits der Mediennutzung – in Produktion, Lieferkette, Service, Dienstleistung. Und Begriffe wie Künstliche Intelligenz werden im Reich der Science Fiction verortet. Alles nach dem Motto: Digitalisierung, das sind die anderen. Ein fataler Fehler.

Wir befinden uns im Jahr elf nach der Einführung des iPhones. Im Januar 2007 hielt Steve Jobs auf der Macworld Conference & Expo ein kleines, flaches Ding in die Kameras: Das iPhone ließ Telefon, Computer und MP3-Player auf neuartige Weise miteinander verschmelzen. Multi-Touch-Screen, Apps – all das hat Schule gemacht. Andere Anbieter zogen nach. Der Paradigmenwechsel holte die Computerwelt aus der Ecke der Programmierer, der Wissenschafts-, Business-, Produktions- und Musikanwendung und verankerte sie tief in unserem Alltag. Mit den bunten Apps entwickelten wir neue Ansprüche: die Allverfügbarkeit von (fast) allem. Damit sind wir als Verbraucher inzwischen ein wichtiger Treiber der Digitalisierung. Wenn wir über das Internet Bestellungen auslösen, erwarten wir, dass die Ware innerhalb weniger Tage geliefert wird. Beim Hersteller lösen unsere Ansprüche weitreichende Strategie-, Arbeits- Entwicklungs- und Produktionsprozesse aus, über die sich die Wenigsten im Klaren sind.

Immer noch meinen allzu viele Hersteller und Händler, sich in der digitalen Welt nicht behaupten zu müssen. Dabei spricht die zunehmende Verödung von Innenstädten eine unübersehbare Sprache. Und dort, wo die Welt noch zum Teil in Ordnung ist, wird sie es in schon naher Zukunft nicht mehr sein. Kein Verbraucher ist mehr auf den stationären Handel angewiesen. Selbst leicht verderbliche Lebensmittel werden schon tagesaktuell angeliefert. Und damit ist nicht der Pizzaservice gemeint. Und Extraservice gibt es auch noch: Zutaten für ganze Menüs werden inklusive Rezepte und Anleitung für die Zubereitung geliefert. Der Handel lässt sich weiter zurückdrängen, macht Platz für Dienstleistungen und Gastronomie. Werden unsere Innenstädte zunehmend ausschließlich Vergnügungsmeilen? Dann haben aber gerade die kleinen Städte ein Problem. Denn an das Angebot der nahegelegenen Zentren können sie nie heranreichen.

Digitalisierung, das sind wir alle. Künstliche Intelligenz inzwischen auch. Sie hat in ihrer heutigen Anwendung mit Vorstellungen aus Science-Fiction-Filmen wie „I, Robot“ oder „Ex_Machina“ nichts zu tun. Dabei ist künstliche Intelligenz (KI) in unserem Alltag präsent. Gesichtserkennung ist künstliche Intelligenz, die auf maschinellem Lernen beruht, ebenso wie Kaufempfehlungen von Online-Plattformen oder die Navigation in Echtzeit. Was die Entwicklung von KI heute vorantreibt, ist die zunehmende Lernfähigkeit in Verbindung mit großen Datenmengen. So können in Unternehmen Vorgänge, die auf regelbasiertem Abarbeiten von Prozessen beruhen, zunehmend durch Robotik-Anwendungen ausgeführt werden, etwa im Controlling, in der Betriebssicherheit. Und Digital Farming hat das Potenzial, die Landwirtschaft von Grund auf zu verändern. Sensoren im Boden und Drohnen in der Luft machen datengestützte Handlungsstrategien möglich. Das kann zukünftig auch bei Hitzeperioden, wie wir sie gerade erleben, helfen, Missernten zu vermeiden.

Das größte Problem aber ist: Weil wir das Extreme kulitivieren – unreflektierte Nutzung hier, totale Ablehnung dort, ganz zu schweigen von der gepflegten Unwissenheit digitaler Prozesse und Zusammenhänge –, tun wir uns mit der maßvollen, reflektierten, souveränen Nutzung schwer. Die aber wäre notwendig, um eine eigene Standortbestimmung vorzunehmen: Wie weit wollen wir die Digitalisierung in unser Leben hineinlassen? Digitale Angebote geben uns Werkzeuge an die Hand, unser Leben so individuell und vielleicht auch so gut zu gestalten wie nie zuvor. Damit stellt uns die Digitalisierung auch vor neue ethische Herausforderungen. Mit Smart Home oder Smart Health vertrauen wir das, was uns am wertvollsten ist – Haus, Wohnung, Gesundheit – Technologien an, die von Konzernen gesteuert werden, auf die wir als Einzelpersonen keinen Einfluss haben. Die Frage ist, wie wir uns und anderen Grenzen setzen in einer Welt scheinbar unbegrenzter technologischen Möglichkeiten. Es braucht Mechanismen, die Selbstbestimmtheit des Individuums in unsere heutige Zeit der Allverfügbarkeit von Dingen zu übersetzen, erst recht, wenn wir uns durch die neuen Technologien zunehmend selbst zum Objekt machen. Deshalb geht Digitalisierung uns alle etwas an.

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